Corona-bedingte Geschäftsschließung berechtigt zur Mietminderung – oder doch nicht?

Die Frage nach den Auswirkungen der Corona-Pandemie betrifft vor allem die Pflicht des Mieters zur Zahlung des Mietzinses. Wie diese Problematik rechtlich zu beurteilen ist, hatten wir bereits vor einiger Zeit rechtsdogmatisch untersucht.[1] Nun liegen die ersten Gerichtsentscheidungen vor, die sich damit auseinandersetzen. Zum Bedauern der konkret davon Betroffenen – nämlich den Parteien eines Mietvertrags – gehen die Auffassungen der Gerichte deutlich auseinander.

So ist das Landgericht München I der Auffassung, dass ein Mangel der Mietsache vorliege, wenn das Mietobjekt aufgrund staatlicher Anordnungen nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden kann.[2] Diese habe im Falle einer kompletten Schließung eines Geschäftslokals zur Folge, dass  die Miete um 80 % gemindert werden kann. Bei einer teilweisen Schließung und weiteren Einschränkungen für die nutzbare Fläche soll nach Auffassung des Gerichts eine 50-prozentige Mietminderung erfolgen.

Diese Entscheidung überzeugt allerdings nicht im Ansatz. Das Landgericht München I argumentiert ohne nähere Ausführungen mit Entscheidungen des Reichsgerichts, die zu Zeiten des Ersten Weltkrieges ergangen sind. Eine Vergleichbarkeit der aktuellen Lage mit Sachverhalten, über die vor über 100 Jahren entschieden wurde, ist nicht vorhanden. Auch eine dogmatische Begründung anhand der heutigen Rechtslage sucht man in den Urteilsgründen vergeblich. Die Entscheidung dürfte sich in der Praxis kaum durchsetzen.

Dies könnte bei der Entscheidung des Landgerichts Heidelberg vom 30.07.2020,[3] das eine Minderung ablehnt und den Anspruch des Vermieters auf Zahlung des Mietzinses vollumfänglich bestätigt, durchaus anders sein. Zwar geht das baden-württembergische Gericht auch auf die Ansichten des Reichsgerichts aus den Jahren 1915 (zum Thema: Mangel der Mietsache wegen des Verbots jeglicher Tanzveranstaltungen) und 1917 (zum Thema: polizeiliche Untersagung öffentlicher Tänze) ein. Allerdings erkennt es die signifikanten Unterschiede zwischen den damaligen Sachverhalten und der aktuellen Corona-Situation und lehnt das Vorliegen eines Mietmangels mit überzeugender Begründung ab. Gleichfalls prüft es mit zutreffendem – nämlich verneinenden Ergebnis – die Frage, ob eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt. Im konkreten Fall behielt der Vermieter daher trotz der behördlich angeordneten Schließung der vermieteten Geschäftsräume für die Zeit vom 18.03.2020 bis 19.04.2020 seinen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses.

Zusammenfassung:

Die Entscheidungen der Gerichte, die sich bislang mit der Frage nach einer Mietminderung wegen corona-bedingten, behördlich angeordneten Geschäftsschließungen auseinandersetzen, sind uneinheitlich. Rechtlich überzeugend ist die Auffassung, die eine Mietminderung und eine Störung der Geschäftsgrundlage ausschließt, also den ungekürzten Mietzinsanspruch des Vermieters bejaht.

Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu diesem Thema werden wir aufmerksam verfolgen.

Sollten Sie Fragen im Zusammenhang mit corona-bedingten Auswirkungen auf Mietverhältnisse haben, dann melden Sie sich bei uns. Wir helfen Ihnen gerne.

 

 

[1] www.deegryl.de/minderung-der-gewerberaummiete-wegen-der-corona-pandemie/

[2] Urteil vom 22.09.2020 (Az. 3 O 4495/20)

[3] Az. 5 O 66/20