Minderung der Gewerberaummiete wegen der Corona Pandemie?
1. Grundsatz: Mietminderung nur bei Mangel
Der Mietzins kann vom Mieter grundsätzlich nur gemindert werden, wenn das Mietobjekt mangelhaft ist und dies die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, § 536 BGB.
Diesbezüglich ist es einhellige Meinung, dass die staatlich verordneten Ausgangsbeschränkungen bzw. Betriebsschließungen an sich keinen Mangel des Mietobjekts darstellen. Eine Minderung § 536 BGB kommt daher nicht in Betracht.
Andere Vorschriften des Mietrechts, anhand derer diese konkrete Frage zu lösen wäre, kennt das BGB nicht.
2. Sonderfall Corona
a) Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht
Wegen der Außergewöhnlichkeit der durch das Corona-Virus eingetretenen Situation erließ der Bundestag das Gesetz zur Abmilderung der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht.
Von diesem Gesetz sind auch Mietverhältnisse betroffen, nämlich dergestalt, dass der Vermieter ein Mietverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen kann, dass der Mieter im Zeitraum von April 2020 bis Juni 2020 trotz Fälligkeit den Mietzins nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.
Nicht von diesem Gesetz geregelt ist die Frage hinsichtlich des Rechts des Mieters zur Mietminderung. Hierzu gibt es also gerade kein spezifisches „Corona-Minderungs-Recht“.
Insoweit muss auf die allgemeinen Paragrafen des Vertragsrechts nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zurückgegriffen werden, denn das Mietrecht sieht für solche Sachverhalte grundsätzlich kein Minderungsrecht vor (siehe oben).
b) Störung der Geschäftsgrundlage
Als solch allgemeine Vorschrift kommt grundsätzlich nur § 313 BGB in Betracht. Dessen Anwendung wird im Zusammenhang mit Mietverhältnissen und den Auswirkungen der Corona-Pandemie diskutiert.
- Allgemein
Nach Absatz 1 dieser Vorschrift gilt:
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. - Anwendung auf Corona-Sachverhalte
Damit Mieter zu ihren Gunsten diese Vorschrift für sich beanspruchen und vom Vermieter eine Reduzierung der Miete verlangen können, müsste sich die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages geändert haben.Der Bundesgerichtshof vertritt zwar in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei der Gewerberaummiete grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt. Dazu gehört seiner Auffassung nach vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Diese Rechtsprechung betrifft allerdings konkret die Verantwortung bzw. das Risiko des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Behördliche Anordnungen, wie sie die Landesregierungen im Rahmen der Corona-Pandemie im Frühjahr/Sommer 2020 erlassen haben, spielten bei diesen Erwägungen des Bundesgerichtshofs jedoch ersichtlich keine Rolle.Auch wenn dies im Zusammenhang mit COVID-19 höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde, dürfte trotz der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anzunehmen sein, dass die grundsätzliche Möglichkeit, in Deutschland (öffentlich-rechtlich genehmigte) Gewerbemieträume zu betreiben, zur Geschäftsgrundlage eines jeden Miet- bzw. Pachtvertrags gehört.Außerdem kann unterstellt werden, dass die Parteien, hätten sie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von der Corona-Pandemie und den behördlichen Ausgangsbeschränkungen bzw. Betriebsuntersagungen Kenntnis gehabt, in den Vertrag einen dies berücksichtigenden Passus aufgenommen hätten.Ob sich Mieter mit Erfolg auf § 313 Abs. 1 BGB berufen können, wird demnach maßgeblich von der Beantwortung folgender Frage abhängen:
Ist die gesetzliche (oder vertragliche) Risikoverteilung bezüglich der Verpflichtung zur Mietzinszahlung bei Wegfall der Nutzungsmöglichkeit aufgrund behördlicher Anordnungen für den Mieter unzumutbar?Auch zu dieser Frage gibt es in Zusammenhang mit COVID-19 wegen der äußerst jungen Thematik noch keine wegweisende gerichtliche Entscheidung. Argumentiert werden kann sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter.Schwerwiegende Störungen durch staatliche Maßnahmen können aber grundsätzlich zu einer solchen Unzumutbarkeit führen.Dabei muss aber als Gegenargument auch darauf abgestellt werden, dass der Bundesgerichtshof den Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB bei Gesetzesänderungen verneint hat, wenn Überleitungsbestimmungen für einen angemessenen Interessensausgleich sorgen. Demnach müssten die üppigen Corona-Hilfspakete des Bundes, gerade für Unternehmer, bei der Entscheidung der Frage nach der Anwendbarkeit des § 313 BGB ebenfalls berücksichtigt werden.Außerdem wird auch zu berücksichtigen sein, dass der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht die Regelungsbedürftigkeit für Miet- und Pachtverhältnisse in Bezug auf den Ausspruch von Kündigungen gesehen und es gleichzeitig unterlassen hat, Übergangsvorschriften zur Anwendung von Mietminderungen zu erlassen.Dies könnte ebenfalls dafür sprechen, dass es Mietern verwehrt ist, sich hinsichtlich der Pflicht zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Mietzinses auf eine Minderung zu berufen. - Zusammenfassung
Die Frage, ob ein Mieter von Gewerberaum wegen der Corona-Pandemie den geschuldeten Mietzins mindern kann, ist wegen der unsicheren Rechtslage derzeit nicht abschließend und mit der gewünschten Sicherheit zu beantworten. Zu erreichen wäre dies allenfalls über die Anwendung der Vorschrift des § 313 Abs. 1 BGB. Ob dieser auf die Corona-Sachverhalte angewendet werden kann, ist sowohl für Vermieter als auch für Mieter offen.Die Gerichte werden diese Streitfrage zu klären haben.Wir halten Sie natürlich über Entwicklungen in diesem Themenbereich auf dem Laufenden.