Preisexplosion beim Baumaterial: Anspruch auf Preisanpassung trotz Fest- oder Pauschalpreisvertrag?

Schon Ende 2020 deutete es sich langsam an, aber was dann tatsächlich kam, hat in dieser Form wohl niemand erwartet und hat es in dieser Form auch schon lange nicht mehr gegeben – die Preise für Baumaterial sind geradezu explodiert.

Die meisten Bauunternehmer haben diese Preisexplosion nicht vorhergesehen. Besonders bei älteren Verträgen, die noch vor der Preisexplosion beim Baumaterial abgeschlossen, aber noch nicht ausgeführt wurden, sind viele Bauunternehmer nun mit dem Problem konfrontiert, dass sie zu den vereinbarten Preisen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können, in vielen Fällen sogar „draufzahlen“. Es stellt sich daher die Frage, ob die Preise nachträglich angepasst werden können. Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn der vereinbarte Preis ein Fest- oder Pauschalpreis ist und der Vertrag keine Wertsicherungsklausel (z.B. in Form einer Preisgleitklausel) enthält, was häufig der Fall sein dürfte.

Grundsätzlich gilt: Die Preisbildung und damit auch die Erhöhung der Kosten für Baumaterial fallen in den Risikobereich des Bauunternehmers, sodass eine Erhöhung der Kosten für Baumaterial nicht ohne weiteres zu einem Anspruch auf Preisanpassung  führt.[1]

Von diesem Grundsatz gibt es aber Ausnahmen. Extreme, nicht vorhersehbare Preisentwicklungen können unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Anpassung der vertraglich vereinbarten Preise rechtfertigen.[2]

Voraussetzung hierfür ist, dass dem Bauunternehmer ein Festhalten am Vertrag zu den ursprünglich vereinbarten Preisen nicht zuzumuten ist, was nur dann angenommen werden kann, wenn das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung massiv gestört ist. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Es ist stets eine Gesamtschau notwendig. Der gesamte Vertrag muss eine schwerwiegende Störung zwischen Leistung und Gegenleistung aufweisen, was z.B. angenommen werden kann, wenn die tatsächlichen Kosten infolge der Preisexplosion für Bau-material mehr als 20 % über der vertraglich vereinbarten Vergütung liegen.[3]

Fazit: Auch ohne vertraglich vereinbarte Wertsicherungsklausel, die in den meisten Fällen – selbst wenn sie im Vertrag enthalten   ist – so oder so unwirksam ist,[4] kann dem Bauunternehmer unter Umständen also ein Anspruch auf Preisanpassung infolge der Preisexplosion beim Baumaterial zustehen, und zwar gestützt auf § 313 Abs. 1 BGB (= sog. Störung der Geschäftsgrundlage).

Sollten Sie mit diesem Problem konfrontiert sein oder hierzu weitergehende Fragen haben, kontaktieren Sie uns! Wir helfen Ihnen gerne!

 

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[1] Vgl. z.B. BGH, Urteil vom 19.12.1985, VII ZR 188/84.

[2] Vgl. BGH, Urteil v. 13.7.1995, VII ZR 142/94.

[3] Vgl. BGH, Urteil v. 20.10.1960, vii ZR 126/59; OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.11.1995, 21 U 12/95.

[4] Zumindest einem Verbraucher gegenüber.