Die Zustandsfeststellung nach § 650g BGB – ein zahnloser Tiger?

Mit der Reform des Bauvertragsrechts zum 01.01.2018 hat der Gesetzgeber in § 650g Abs. 1 – Abs. 3 BGB die sog. Zustandsfeststellung eingeführt. Das liegt zwischenzeitlich schon mehr als 2 Jahre zurück. Da vom Instrument der Zustandsfeststellung in der Baupraxis aber noch selten Gebrauch gemacht wird, stellen sich viele der am Bau Beteiligten die Frage, was man unter einer Zustandsfeststellung versteht, wenn sie doch einmal mit einer solchen konfrontiert sind.

Eine Zustandsfeststellung kann vom Auftragnehmer verlangt werden, wenn der Auftraggeber die Abnahme der vom Auftragnehmer erbrachten Leistungen verweigert. Die Zustandsfeststellung ersetzt aber nicht die Abnahme, sondern dient allein der gemeinsamen Dokumentation des Ist-Zustandes der vom Auftragnehmer erbrachten Leistungen. Dadurch sollen spätere Streitigkeiten um die Frage vermieden werden, ob ein Schaden an der Leistung des Auftragnehmers vor der Abnahme schon vorlag oder erst nach der Abnahme eingetreten ist.

Zu differenzieren ist zwischen einer gemeinsamen (§ 650g Abs. 1 BGB) und einer einseitigen (§ 650g Abs. 2 BGB) Zustandsfeststellung. Bei einer gemeinsamen Zustandsfeststellung wird der Zustand der Leistung des Auftragnehmers von beiden Parteien gemeinsam in einem Protokoll dokumentiert, welches mit einem Datum versehen und von beiden Parteien unterzeichnet wird. Von einer einseitigen Zustandsfeststellung ist die Rede, wenn der Auftragnehmer die Zustandsfeststellung alleine vornimmt – entweder weil der Auftraggeber dem vereinbarten Termin zur Zustandsfeststellung fern bleibt oder weil der Auftragnehmer dem Auftraggeber erfolglos eine angemessene Frist zur gemeinsamen Zustandsfeststellung gesetzt hat. Dann kann der Auftragnehmer den Zustand seiner Leistung einseitig dokumentieren und dem Auftraggeber ein Protokoll über diese einseitige Zustandsfeststellung übermitteln.

Egal ob gemeinsame oder einseitige Zustandsfeststellung, die Rechtsfolgen sind immer die gleichen: Im Falle der Zustandsfeststellung findet eine Art Beweislastumkehr statt. Nach § 650g Abs. 3 BGB wird vermutet, dass ein offenkundiger Mangel, der in der Zustandsfeststellung nicht angegeben wurde, nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Auftraggeber zu vertreten ist – und das obwohl, wie weiter oben schon angedeutet, noch keine Abnahme stattgefunden hat. Eine Zustandsfeststellung kann für den Auftragnehmer daher durchaus positive Rechtsfolgen haben. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass das Gesetz keine Regelung enthält, wenn es zwar zu einer gemeinsamen Zustandsfeststellung kommt, die Parteien sich aber nicht auf eine gemeinsame Dokumentation einigen können, was oftmals der Fall ist. Die Zustandsfeststellung ist dem Auftragnehmer in der Regel deshalb nur dann nützlich, wenn sie einseitig erfolgt. Erscheint der Auftraggeber aber zur Zustandsfeststellung und können sich beide Parteien nicht auf ein gemeinsames Protokoll einigen, kann der Auftragnehmer die in § 650g Abs. 3 BGB geregelten, für ihn positiven Rechtsfolgen nicht herbeiführen – die Zustandsfeststellung ist für diesen Fall sprichwörtlich ein zahnloser Tiger.

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