BGH, Urteil vom 13.03.2020, V ZR 33/19

Kein Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten – bleibt es dabei?

Ist das Werk des ausführenden Unternehmers mangelhaft und hat der Besteller den Bauunternehmer erfolglos unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert, konnte der dem Besteller nach fruchtlosem Fristablauf zustehende Schadensersatzanspruch nach ständiger Rechtsprechung des für das Baurecht zuständigen VII. Zivilsenat des BGH bisher anhand der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten ermittelt werden, wobei völlig unerheblich war, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird oder nicht.

Diese Rechtsprechung hat der VII. Zivilsenat des BGH mit seinem Urteil vom 22.02.2018 (VII ZR 46 / 17) inzwischen aber aufgegeben. Nach dieser Entscheidung kann der Besteller seinen Schaden nur dann noch nach den Mängelbeseitigungskosten bemessen, wenn diese tatsächlich angefallen sind, sprich wenn der Besteller den Mangel tatsächlich hat beseitigen lassen. Solange der Mangel aber nicht beseitigt ist, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Ist der Mangel nicht beseitigt, bemisst sich der Schadensersatzanspruch des Bestellers nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats vielmehr anhand der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Werkes mit und dem fiktiven Verkehrswert des Werkes ohne Mangel.

An dieser Rechtsprechung, die in der Baupraxis weitreichende Folgen hat und deshalb viel Aufsehen erregte, gibt es nun aber scharfe Kritik, und zwar BGH-intern. Mit Beschluss vom 13.03.2020 richtete der V. Zivilsenat des BGH an den VII. Zivilsenat gemäß § 132 Abs. 3 GVG die Anfrage, ob der VII. Zivilsenat an seiner im Urteil vom 22.02.2018 vertretenen Rechtsauffassung festhalte. Denn aus Sicht des V. Zivilsenats sei die Berechnung des Schadensersatzes statt der Leistung nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten nach wie vor richtig. Beim Schadensersatz statt der Leistung könne der Gläubiger nämlich verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung durch den Schuldner stünde. Geschützt werde also das positive Interesse des Gläubigers. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für das positive Interesse des Gläubigers sei der Nacherfüllungsanspruch, also die Herstellung einer mangelfreien Sache durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung. Deshalb sei es nach wie vor richtig, den Schadensersatz anhand der Kosten für die Nachbesserung zu bestimmen, für die der Gläubiger nunmehr selbst aufkommen müsse. Diese Kosten werden durch die fiktiven Mängelbeseitigungskosten zutreffend abgebildet, vgl. hierzu ausführlich: BGH, Beschluss vom 13.03.2020, V ZR 33/19.

Wie dieser BGH-interne Streit ausgeht, bleibt abzuwarten. Es scheint aber nicht ausgeschlossen, dass der VII. Zivilsenat seine Entscheidung vom 22.02.2018 wieder etwas revidieren muss. Wir halten Sie diesbezüglich selbstverständlich auf dem Laufenden.

 

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Thomas Deeg und Dr. Martin Ryl